HANS MOLISCH#
Im großen Festsaal der Wiener Universität unter dem Ehrenschutz des Rektors Hofrat Professor Dr. Hans Molisch fand am 15. Mai 1927 eine Festversammlung zur Dreißig Jahr Feier der Eröffnung der philosophischen Fakultät für das Frauenstudium statt, zu der die Professoren der philosophischen Fakultät und zahlreiche Persönlichkeiten der Gelehrtenwelt erschienen waren. Die Feier wurde durch einen von der Universitätssängerschaft „Ghibellinnen“ vorgetragenen Chor eingeleitet worauf die Festgäste durch Frau Dozent Dr. M. Thalmann begrüßt worden waren. Hierauf folgten Ansprachen des Rektors Professor Dr. Molisch und des Hofrates Prof. Dr. Dopsch. Dann hielt Frau Staatsarchivar Dr. Melitta Winkler die Festrede, in der sie ausführte.
Die Gedenkfeier, die hier begangen wird, gilt einem Ereignis, das im Zusammenhang des allgemeinen Geschehens zwar nur gering erscheint, das aber doch der bürgerlichen Gesellschaft dieses Staates einen neuen Zug aufgedrückt hat. Die Zulassung der Frauen zu den österreichischen Hochschulen gehört nicht mehr zu den entscheidenden Stadien der Entwicklung des ganzen Problems, eine Reihe von europäischen und die Vereinigten Staaten von Amerika hatten die Eröffnung der Hochschulen für die Frauen schon lange zuvor vollzogen. Es ist bezeichnend, dass die ganze Frage in Österreich an der Notstrifizierung von im Ausland durch Frauen bereits erworbenen Doktoraten ins Rollen kam. Die Lösung dieser Frage eröffnete den Frauen den Weg zum Studiuman den philosophischen und bald darauf auch an den medizinischen Fakultäten. Die betreffende Verordnung vom 23. März 1897, die mit dem Namen des Ministers Gautsch verknüpft ist, trug im Grunde genommen nur den bereits ausgebildeten Verhältnissen Rechnung. Die großen Veränderungen, die, wie überhaupt in der Struktur der Gesellschaft, so auch in der sozialen und wirtschaftlichen Stellung der Frau im abgelaufenen Jahrhundert sich vollzogen hatten, führten zur Notwendigkeit, der schon in alle Gebiete des Erwerbsleben gedrängten Frau nun auch höhere Berufsmöglichkeiten zu erschließen. Damit haben die Frauen eine Magna Charta empfangen, in dem der Staat ihnen seine kostbarsten Einrichtungen zu den höheren geistigen Berufen frei gab. Dieses Geschenk wurde mit heißem Dank empfangen.
Die Eröffnung der akademischen Berufe für Frauen ist von den Gegnern durch dreißig Jahre lang viel bekämpft worden. Die Wiener Universität zählt gegenwärtig ungefähr eineinhalb Tausend weibliche Hörer verschiedener Kategorien. Dadurch wurde die Bildung der Frauen gehoben, übernahmen an höheren Schulen das Lehramt, sie haben Teil an der wissenschaftlichen Forschung, sie sind in der Gesundheitspflege und in der sozialen Fürsorge zu finden. Im Nationalrat und Bundesrat haben akademisch gebildete Frauen ihren Sitz erlangt.
Dann erfolgte die Überreichung des Ehrenzeichens der Universität an Frau Marianne Hainisch. Rektor Professor Molisch feierte Frau Hainisch als diejenige Frau , die den Weg zum Universitätsstudium der Frauen ebnete, indem sie schon vor fast dreißig Jahren den Antrag auf Errichtung eines Mädchengymnasiums stellte.Sie hat in Wort und Schrift gekämpft und so die Grundlage für ihr Hochschulstudium gelegt. Dieses Verdienst wollte der akademische Senat anerkennen und hat die Verleihung des Ehrenzeichen der Universität an die Mutter des Bundespräsidenten beschlossen das Rektor Molisch im Namen der Hochschule überreichte.
Den Worten folgte langanhaltender Applaus und Zurufe, die sich nach der Erwiderung Frau Hainisch wiederholten.
Professor Molisch wurde am 6. Dezember 1856 geboren. Er entstammt einer seit Jahrhunderten in Brünn ansässigen Gärtnerfamilie, besuchte in seiner Heimatstadt das Mendel Gymnasium und studierte an der Wiener Universität, wo zu seinen Lehrern der berühmte Botaniker Julius Wiesner gehörte. Molisch wurde Lehramtskandidat am Wasa Gymnasium und gleichzeitig Assistent bei Wiesner. Im Jahr 1880 promovierte er. Fünf Jahre später wurde er Privatdozent für Anatomie und Physiologie der Pflanzen. Im Jahr 1889 wurde er als außerordentlicher Professor an die Technische Hochschule nach Graz berufen, im Jahr 1894 als ordentlicher Professor an das pflanzenphysiologische Institut der Deutschen Universität in Prag . Von dort aus trat er 1897 seine erste Weltreise an. Arbeiten über die Indigogärung waren das bekannteste Ergebnis dieser Forschungsfahrt. Nach seiner Rückkehr wurde nach seinen Weisungen das mustergültige pflanzenphysiologische Institut in Prag gebaut.
Im Jahr 1909 kam Molisch als Nachfolger seines Lehrers Wiesner nach Wien als Leiter des pflanzenphysiologischen Institut. 1922 folgte er einem Ruf nach Japan wo er bis 1925 verblieb. Er war dort Gegenstand ganz besonderer Ehrungen. Nach seiner Rückkehr nach Wien nahm er seine Lehrtätigkeit wieder auf. Im Studienjahr 1926/27 wurde er außer der Tour zum Rektor der Universität gewählt.
Molisch hat im Laufe seiner langjährigen und vielseitigen wissenschaftlichen Arbeit mehr als 250 Publikationen und 20 Bücher veröffentlicht. Als die wichtigsten seien genannt: Die Untersuchungen über Purpurbakterien, über Mikrochemie der Pflanzen, über leuchtende Pflanzenphysiologie als Theorie der Gärtnerei, über Anatomie der Pflanze und das populäre Buch „Im Land der aufgehenden Sonne“, in dem er interessante Aufschlüsse über Japan vermittelte. Molisch war Ehrenmitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften, Ehrenpräsident der österreichischen Gartenbaugesellschaft und Träger des Ehrenzeichens für Kunst und Wissenschaft, das ihm anlässlich seinen 80. Geburtstag verliehen worden war. Bei diesem Anlass wurde auch eine Büste des Gelehrten in dem Hörsaal enthüllt wo Generationen von Lehrern und Pädagogen durch seine Schule gegangen, zahllose Mediziner in die Geheimnisse der Biologie von ihm eingeführt worden sind.
Mit dem berühmten Mährer Molisch, der den Ruhm des wissenschaftlichen Wien in die ganze Welt getragen, hat die österreichische Wissenschaft einen ihrer bedeutenden Vertreter verloren. Dr. J.
Prof. Molisch, der erst vergangenen Monat seinen 81. Geburtstag feiern konnte, war Mitte November an einer schweren Phlegmone erkrankt und begab sich über ärztlichen Rat in die Pflege eines Wiener Sanatoriums, wo gestern mittags unerwartet ein Herzschlag dem Leben des Gelehrten ein Ende setzte.
Der berühmte Botaniker Dr. Molisch erzählte wiederholt, wie er seine Vorliebe für sein Fach gewonnen hatte. Es war in der fünften Klasse am Brünner Gymnasium. In Naturgeschichte unterrichtete Professor Anton Tomaschek, der aus der bekannten Iglauer Gelehrtenfamilie stammte. In der ersten Unterrichtsstunde hielt er einen hochwissenschaftlichen Vortrag über den Aufbau der Kartoffelknolle. Molisch war von dem Vortrag begeistert, er hatte auf ihn einen unerhört tiefen Eindruck gemacht. Zu Hause stöberte er sofort in der Bobliothek seines Vaters, der ein berühmter Brünner Kunstgärtner war, in allen Büchern nach, was über den Aufbau der Kartoffelknolle zu finden war. Am nächsten Tag wurde Molisch geprüft. Professor Tomaschek war von seinem Vortrag über die Kartoffelknolle so begeistert, dass er zu ihm kam, ihm den Klassenkatalog entgegenhielt und sagte: „Schreiben Sie sich selbst das Ausgezeichnet hinein!“ Es war on dem Brünner Gymnasium ein unerhörtes Ereignis, Molisch wurde seither von seinen Mitschülern nur mehr „Molisch der Botaniker“ gerufen. Das war eigentlich der Beginn seiner Karriere als Botaniker gewesen.
Im Oktober 1905 hielt Molisch einen Vortag: „Es gibt im Reiche Floras niedrig organisierte Pflanzen, welche die Eigenschaft besitzen Lichterscheinungen hervorzubringen. Diese leuchtenden Pflanzengebilde gehören durchwegs dem Reiche der Bakterien und Fadenpilze an. Der Prager Naturforscher Prof. Hans Molisch hat das eigenartige Problem der pflanzlichen Lichtentwicklung gründlich studiert und manche rätselhafte Erscheinung auf diesem Gebiet wissenschaftlich erklärt. In einem jüngst gehaltenen Vortag berichtete er, wie wir der „Naturwissenschaftlichen Rundschau“ entnehmen, über einen interessanten Versuch, dieses Pflanzenlicht praktisch nutzbar zu machen.
Unter den leuchtenden Bakterien gibt es zwei, die sich durch besondere Leuchtkraft auszeichnen.; die eine fand Molisch auf Schlachtviehfleisch, die andere auf Seefischen. Beide benutze er zur Konstruktion einer lichtspendenden Lampe. Ein Glaskolben von ein bis zwei Liter Inhalt, die sogenannte Erlenmeyersche Lampe, wurde mit einer gelatinösen Masse beschickt, die als vorzüglicher Nährboden für die genannten Bakterien diente. Molisch brachte mittels einer Platinnadel von diesen Bakterien auf die Gelatine und kühlte den Glaskolben unter langsamen Drehen unter der Wasserleitung ab, so dass die Gelatine an der ganzen inneren Oberfläche erstarrte. In einem kühlen Raum entwickelten sich nach ein bis zwei Tagen an der ganzen Innenwand Unmassen der Bakterien, und der Kolben erglänze in wunderbarem bläulich grünen Licht
Eine derartige Lampe bewahrt ihre Leuchtkraft in einem ungeheizten Zimmer etwa vierzehn Tage: sie gestattet, sofern das Auge an die Dunkelheit gewöhnt ist, Taschenuhr und Thermometer abzulesen und groben Druck zu entziffern Ein solcher Glaskolben kann in finsterer Nacht noch auf 64 Schritte gesehen und zur Not als Nachtlampe benützt werden, vielleicht auch als Lockmittel beim Fischfang gute Dienste leisten. Professor Molisch hofft, durch geeignete Verbesserungen diese ungemein sparsame, von Wärmestrahlen fast freie Lichtquelle in ihrer Leuchtkaft so zu steigern, dass man derartige lebende Lampen wegen ihrer Billigkeit, ihrer langen Leuchtdauer, ihrer Gefahrlosigkeit und ihres kalten Lichtes besonders in Pulvermagazinen und in nicht zu warmen Bergwerken praktisch verwenden kann.
Halten wir Umschau in der uns umgebenden Pflanzenwelt, so entzückt uns, wohin wir blicken mögen, die Schönheit der Pflanzenformen, ihr üppiges Grün, ihr buntes Blühen, reichliches Fruchten; und wenn wir offenen Auges durch Wald, Wiese und Feld, ja selbst im kleinsten Garten offenbart sich uns ein wunderbares Geschehen.
Hofrat Prof. Dr. Hans Molisch der in der gesamten Kulturwelt so hoch eingeschätzte Botaniker, ist da anderer Meinung. Nach einem bahnbrechenden und segensreichen Forschen und Lehren als Professor der Pflanzenphysiologie an der Wiener Universität ruht Molisch nicht und es ruhet nicht der Stift, mit dem er neue Werke schafft, die die Wissenschaft bereichern, aber nach Inhalt und Sprache auch dem Laien auf diesem Gebiet Wege weisen, die ihn in die Wunderwelt des Pflanzenreiches und zu wertvollen Erkenntnissen führen.
In einem vor kurzem erschienenen Werk: „Botanische Versuche ohne Apparate“ zeigt uns Molisch, wie sich ohne schwierige Methoden wundervolle Dinge und Vorgänge in der Pflanzenwelt erkennen lassen. Es sollte jeder Pflanzenfreund in diesem Buch blättern. Molisch führt ihn in die Anatomie der Pflanzen ein, und zeigt ihm den Aufbau aus mikroskopisch kleinen Zellen und erklärt wie es zu so bunten Farben kommt, zu Riechstoffen verschiedener Art. Er zeigt uns wie die Pflanze sich ernährt, wie sich in ihr die Säfte bewegen, weist nach, dass sie atmet und wie es auch bei einzelnen Pflanzen zu Lichtentwicklung kommt, er führt uns ein in die Gesetze des Wachstums und lässt und Bewegungserscheinungen an der Pflanze erkennen. Auch das Geheimnis der Fortpflanzung werden uns in diesem Buch an der Hand einfachster Versuche und Beobachtungen offenbar….
Ein Leben unter Pflanzen und für die Pflanzen hat er gelebt, von der frühesten Kindheit an bis zu seinen letzten Tagen, denn in der Vorwoche ist sein Buch „Einfluss einer Pflanze auf die andere: Allelopathie“ erschienen, Vater, Großvater, Ahne, zurück bis ins 16. Jahrhundert, hatten mit Pflanzen zu tun und so ist der Werdegang des größten österreichischen Botanikers, vielleicht auch des größten der Welt, kein Zufall. Zufall freilich war es, dass er just in das nach seinem Landsmann benannte Gregor Mendel Gymnasium gegangen ist, jenes Forschers, der an Pflanzen erstmalige Vererbungsgesetze aufgestellt hat.
Die erste Professur ruft ihn nach Graz, die großen Herbarien Steiermark haben ihn zum Schöpfer. In Prag ist er dann Ordinarius und von hier aus tritt er 1897 die erste seiner drei Weltreisen an – von ihnen allen hat er nicht nur eine große botanische Ausbeute und getrocknete Pflanzen mitgebracht, sondern auch seine durchaus nicht trockenen Berichte. Diese wussten neben den wissenschaftlichen Themen auch von Land und Leuten, von Seltsamkeit aller Art so fesselnd zu berichten, dass sie als belletristische Werke viele Auflagen erlebten, sowie seine packende Darstellungsart durch zahlreiche populäre Vorträge eine gewaltige Gemeinde von Anhängern zu gewinnen verstand.
Hans Molisch zuzuhören, war ein erlesenes Vergnügen. So etwa, wenn er von seinem Freund Sir Jagidis Bose der Leiter des Pflanzeninstitut in Kalkutta, bei dem er ein Jahr zu Gast war, erzählte. Dort hörte er das Herzklopfen der Pflanze, dort wurde ihr Nervensystem gemeinsam von dem Inder und dem Österreicher erforscht, reiste er in die Wunderwälder am Rande des Himalaja; die indische Dattelpalme, die keine genießbaren Früchte, dafür aber große Mengen von Zucker bietet, in ihrer Lebenszeit bis zu 800 Kilo Zucker. Er beschäftigte sich auch mit dem Würger der Palmen, eine Art Überbaum, der sich als eigenes Gewächs um die Palme schlingt und sie endlich erwürgt.
Es gäbe über Hans Molisch noch so viel zu berichten, das weitere Seiten füllen würden. Er war ein einzigartiger Forscher, der viel zu wenig gewürdigt wird. QUELLE: Wiener Landw. Zeitung, 6. Februar 1932, S 1, Kleine Volkszeitung, 9. Dezember 1937, S 3, Reichspost 28. April 1925, S 6, ANNO Österreichische Nationalbibliothek Bilder: I. Ch. Graupp
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